TL;DR:Die Demokraten schlafen, während Sanders kämpft. Statt Podiumsshow und Umfragen geht er zu den Menschen, spricht Klartext: Kein Autoritarismus, keine Kleptokratie, kein fauler Kompromiss. Während er mobilisiert, wartet die Partei – auf ihr eigenes Ende.
„Gegen Trump kann man sich totstellen und sich strategisch zurückziehen – oder aber man stellt sich lebendig, geht auf die Leute zu und spricht mit Überzeugung und Integrität mit ihnen.“
Es sind dunkle Zeiten für linksgerichtete Amerikaner – und das liegt nicht nur daran, dass die Demokratische Partei so orientierungslos durch die politische Landschaft irrt wie ein Betrunkener, der seinen eigenen Wagen sucht. Ihr Ruf ist nicht etwa ruiniert, weil Trump ihn beschädigt hätte, sondern weil sie selbst ihr Profil so lange abgeschliffen hat, bis nichts mehr übrig blieb außer einer Bürokratenhülle, die gelegentlich „Demokratie ist in Gefahr!“ flüstert.
Während progressive Gruppen noch immer an Protestmärschen gegen Trumps autoritäre Machtübernahme festhalten, wirken ihre Bemühungen inzwischen so kampflustig wie eine Mahnwache mit Teelichtern. Man kann nicht zum dritten Mal mit derselben Warnung vor dem Faschismus mobilisieren, wenn die Partei, die ihn angeblich verhindern soll, sich mit der Begeisterung einer Steuerprüfung in den Kampf stürzt. Doch während die Demokraten sich noch überlegen, ob man Trump verbal zu hart attackieren darf, zieht ein Mann in den Kampf: Bernie Sanders. Und er füllt das Vakuum, fährt durch die tief Rote (Rot ist die farbe der Republikaner) Provinz, hält Krisenkundgebungen statt Wahlkampfshows – und siehe da: Die Menschen kommen.
Sanders hat die Lösung, aber die Partei will sie nicht hören.
Mit seiner landesweiten „Stopping Oligarchy“-Tour zieht er durch republikanisch dominierte Wahlkreise in Swing States und tiefrote Bundesstaaten – und binnen Stunden strömen Tausende herbei. Associated Press staunt: „Freitagabend in Kenosha, Wisconsin: 4.000 Menschen. Samstagmorgen in Altoona, Wisconsin, einer Stadt mit weniger als 10.000 Einwohnern: weitere 2.600. Und dann 9.000 in einem Vorort von Detroit – mehr, als selbst sein eigenes Team erwartet hatte.“ Während die Demokraten in Washington ihre Umfragen anstarren, als könnten sie aus den Zahlen die Antwort auf ihre eigene Bedeutungslosigkeit errechnen, hält Sanders Reden, die jeder versteht. Kampf gegen die Oligarchie. Kampf gegen den Klassenkrieg von oben. Kampf gegen das System, das Trump geschaffen hat und die Demokraten verwalten.
Man könnte es als Sanders’ Rückkehr zu alter Form bezeichnen – wenn es denn je eine Phase gegeben hätte, in der er wirklich Teil des Establishments war. Ja, er half Biden, die „Build Back Better“-Agenda durch den Senat zu schieben – oder zumindest das, was von ihr übrigblieb, nachdem ein gewisser Joe Manchin sie mit der Begeisterung eines Kohle-Lobbyisten durch den Reißwolf gedreht hatte. Doch jetzt tut Sanders, was er am besten kann: Er hält keine Debatten über Messaging-Strategien – er macht einfach Politik. Kein Podium, hinter dem er sich versteckt, keine „Berater-optimierten“ Statements, keine vorsichtige Wortwahl, die niemandem wehtun soll.
Während sich die Demokraten fragen, wie man wirtschaftspolitische Botschaften formulieren kann, ohne Investoren zu verschrecken, nennt Sanders das Offensichtliche beim Namen: Die USA sind eine Oligarchie mit demokratischem Anstrich – die perfekte Illusion, direkt aus dem Handbuch für sanfte Putsche. In Kenosha donnert er: „Wir sind hier, um laut und deutlich zu sagen, dass wir in unserer großartigen Nation keine Oligarchie akzeptieren werden. Wir werden keinen Autoritarismus akzeptieren. Wir werden keine Kleptokratie akzeptieren. Wir sind hier, um klarzustellen, dass wir zurückschlagen und gewinnen werden.“
Worte, die klingen, als könne man mit ihnen eine Partei aus der Lethargie reißen. Doch die Demokraten hören nicht hin. Vielleicht, weil sie den Lärm der Kassenklingeln ihrer Spender übertönt.
Ihre wirtschaftspolitische Krise ist nicht nur ein Problem der Botschaft, sondern der Glaubwürdigkeit. Sie haben zugelassen, dass man ihnen das Label einer elitären Akademikerpartei aufdrückt, die sich mehr für Identitätsdiskurse interessiert als für die Frage, ob Amerikaner ihre Miete bezahlen können. Eine Umfrage von Navigator Research zeigt: Eine Mehrheit der Wähler in umkämpften Kongresswahlkreisen glaubt, dass die Demokraten mehr daran interessiert sind, „anderen Menschen zu helfen als Leuten wie mir“.
Anders als so viele seiner Parteikollegen verkommt er nicht zur politischen Buchhalterei und rechnet nicht aus, welche demografische Gruppe man als Nächstes ins Zentrum der Wahlkampfbemühungen rücken muss, um ja niemanden zu vergraulen. Er wirft niemanden unter den Bus, um Konservative für sich zu gewinnen – er zeigt, dass Trump nicht gegen das „Establishment“ kämpft, sondern dessen nützlichster Idiot ist.
Die Demokraten könnten aufwachen. Aber warum sollten sie? Es geht doch auch ohne Rückgrat ganz bequem.
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